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Negative Campaigning: Hot or not?

23.06.2017

Im Wahlkampfjahr 2017 setzen einige Parteien auf die Form des negative campaigning. In diesem Artikel präsentiere ich dir zwei aktuelle Beispiele und diskutiere Vor- und Nachteile sog. Schmutzkübelkampagnen.

Vor 17 Jahren besuchte ich meinen Freund Peter Neumann in London. Er hatte seinen Abschluss in Politikwissenschaften von der FU Berlin in der Tasche und promovierte nun in am King's College. Bevor es in den Pub ging, sprachen wir über sein Lieblingsthema Wahlkämpfe. Er erzählte mir begeistert von diversen US-amerikanischen Präsidentschaftskampagnen und zeigte mir u. a. einen Wahlwerbespot von George Bush Senior aus dem Jahr 1988.

In solchen attack ads werden also politische Mitbewerber bewusst in ein schlechtes Licht gerückt. Dabei kommen nicht nur bisherige oder geplante politische Entscheidungen an den Pranger. Auch private - vermeintliche oder tatsächliche - Verfehlungen oder äußere Attribute einer Person dienen als Zielscheibe. Die Diskreditierung der politischen Positionen und/oder der Person(en) ist das Ziel. Mehr zu der Geschichte um George Bush Senior vs. Michael Dukakis kannst du z. B. bei CNN nachlesen.

Ich fand das Video und die Story dazu sehr spannend, doch begeisterte ich mich damals mehr für die Produktion von Radio-Trailern oder die beste Anmoderation der größten Hits der 80er, 90er und von Heute.

Heute ist alles anders. Peter ist mittlerweile Prof. Peter Neumann und ein weltweit gefragter Experte für Terrorismus. Und ich? Ich begeistere mich deutlich mehr für politische Kommunikationsstrategien und zeige dir ein paar aktuelle Beispiele über negative campaigning. Kurzer Hinweis: Ich habe die Wahlkampagne von Donald Trump weggelassen - die bestand ja quasi aus negativen Äußerungen gegen alles und jeden und steckt uns noch in den Knochen.

1. Beispiel:

martin-schulz-gegen-angela-merkel-negative-campaigning

Mitte Juni 2017 veröffentlichten mehrere SPD-Bundestagsabgeordnete diese Kachel bei Twitter und sorgten für eine hitzige Diskussion in politisch interessierten Kreisen. Ist dieses Bild beleidigend, witzig oder smart? Verrat mir gerne HIER oder im Kommentarfeld deine Meinung. In jedem Fall erregte es die Aufmerksamkeit der "klassischen" Medien und brachte die SPD ins Gespräch. Die Frage ist natürlich nur: Are bad news wirklich good news?

PS. Wie die Kachel angeblich entstand, erfährst du bei BILD

2. Beispiel

negative-campaigning-die-linke-gegen-spd

Dieses Bild habe ich neulich im Berliner Regierungsviertel an einem Stromkasten entdeckt. Diesmal ist die SPD dran und bekommt von der LINKEN eins auf den Deckel. Hier wird eindeutig eine inhaltliche Distanzierung im selben Thema deutlich gemacht. Im typischen Corporate Design der Partei - und sogar das beliebteste Emoji der Welt findet einen prominenten Platz. Was denkst du darüber? Gute Idee oder ein NoGo? Gib doch mal deinen Senf dazu im Kommentarfeld oder auf FACEBOOK.

3. Beispiel

beatrix-von-stroch-gegen-gruene-negative-campaigning

Eine Partei, die seit langer Zeit den politischen Gegner regelmäßig angreift, ist die Alternative für Deutschland (AfD). Ob Björn Höcke, André Poggenburg oder Beatrix von Storch: Alle etablierten Parteien bekommen "ihr Fett weg". Die Europaparlament-Abgeordnete (MdEP) teilt ordentlich aus - natürlich gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Bundespräsident Frank Walter Steinmeier (SPD) oder in diesem Fall Kollegin im EU-Parlament, Ska Keller. Die Likes für solche Kacheln sind überragend - zwischen 1.000 und 2.000 mal wird auf Facebook auf Beiträge dieser Art reagiert.

4. Beispiel

Kaum populistisch und dennoch voller Kritik am politischen Gegner: der Anti-Kurz-Werbespot der österreichischen Sozialdemokraten (SPÖ) gegen den Parteichef der ÖVP und Außenminister der Republik Österreich, Sebastian Kurz. In 2:05 min wird ausführlich und mit dramatischer Musik untermalt erklärt, was alles an den Steuerplänen von Sebastian Kurz falsch sei. Wie so oft, brachte negative campaigning auch hier öffentliche Aufmerksamkeit - nämlich einen Shitstorm auf Facebook. Zumindest wenn man den Kollegen von OE24 glauben darf.

5. Beispiel

Sicherlich hast du schon etwas über den russischen Oppositionspolitiker Alexei Nawalny gehört. Der von ihm gegründete Fonds zur Korruptionsbekämpfung deckt regelmäßig kriminelle Korruptions- und Bereicherungsmethoden russischer Amts- und Mandatsträger auf und veröffentlicht Videos und Websites. In den vergangenen Jahren konnte Nawalny recht plausible Beweise für kleptokratisches Verhalten von Beamten und Politikern auf höchster Ebene vorlegen. Unter anderem betroffen der Premierminister und Ex-Staatspräsident Dmitri Medwedew und Generalstaatsanwalt Juri Tschaika. Nawalny verbindet seine Aktivitäten zur Aufdeckung von Korruption mit seiner Tätigkeit als Politiker. So errang er 2013 rund 27% aller Stimmen bei der Wahl zum Moskauer Bürgermeister (ein beachtliches Ergebnis für einen Oppositionspolitiker). Im nächsten Jahr möchte er bei den Präsidentschaftswahlen kandidieren und nutzt die Enthüllungen des Anti-Korruptionsfonds als Wahlwerbemittel gegen Geeintes Russland, die dominierende Partei von Präsident Putin sowie andere Block-Parteien (also Oppositionsparteien, die ihrem Abstimmungsverhalten nach als Putin-konform betrachtet werden dürfen).

Das folgende Video zeigt, wie der Bürgermeister einer russischen Metropole mit Hilfe seiner Familie riesige Summen für Luxus-Apartments in Miami (USA) ausgibt. Der Film enthält Englische Untertitel. Wenn du ihn einschaltest, merkst du schnell die Verzahnung von Enthüllungsjournalismus und politischer Kampagne.

Mein Fazit

Negative campaigning kann wirken - oder auch nicht. Die Frage ist: Gewinne ich damit Sympathien, Zustimmung oder gar die Wahl? Ist negative campaigning mitunter der einzige Weg, genau dies zu erreichen? Oder passiert das Gegenteil? Nach den oben erwähnten Beispielen kann es keine pauschale Antwort auf diese Fragen geben.

In den USA funktioniert negative campaigning immer wieder. Dort ist der Wahlkampf deutlicher auf einzelne Kandidaten fokussiert, er enthält mehr Showelemente und in der medialen Darstellung sind Konflikte viel lieber gesehen, als eine detaillierte inhaltliche Auseinandersetzung. Trumps Krawall-Rhetorik oder z. B. Werbeclips, in denen erzählt wird, Republikaner wären permanente Opfer von Attentaten (so geschehen im gerade zu Ende gegangenen Wahlkampf in Georgia um einen Kongresssitz - mehr dazu HIER) sind meiner Meinung nach unter aller Kanone.

In Deutschland war negative campaigning zumindest für die Volksparteien zuletzt nicht so erfolgreich. Die "Kinder statt Inder"-Kampagne von Jürgen Rüttgers (CDU) in NRW im Jahr 2000 - kein Hit. Die Warnung vor rot-rot-grün im Wahlkampf um das Berliner Abgeordnetenhaus im Jahr 2016 - bitte nicht nachahmen. Was die populistischen AfD-Angriffe auf Merkel und Co. angeht, würde ich gerne die Bundestagswahl abwarten. Bisher gewann die Partei mit ihrer aggressiven "Wir gegen die anderen"-Rhetorik Aufmerksamkeit und feierte den Einzug in zahlreiche Landesparlamente. Die AfD profitierte von der allgemeinen Aufregung um die Migrations- und Flüchtlingspolitik und eine gewisse Merkel-Müdigkeit. Nun ist die Partei zerstritten, Flüchtlinge oder Merkel-Müdigkeit kein besonders wichtiger Gegenstand der öffentlichen Diskussion. Also schauen wir auf den 24. September.

 

Ich persönlich schmunzele zwar gerne über das ein oder andere bissige Plakat (z. B. die "Roten Hände" von Peter Hintze), bin aber am Ende kein Fan des Fingerzeigs auf andere. Warum wertvolle Sendeminuten, Werbeflächen und Flyer dafür verschwenden, über andere zu reden!?

In Autokratien und Diktaturen müssen in aller Regel eklatante Missstände, die von der jeweiligen machthabenden Elite ausgehen, angesprochen werden. Das geschieht nicht selten unter Gefahr für Leib und Leben. Zudem ist Oppositionspolitikern der Zugang zu klassischen Medien, wie TV, Print und Radio verwehrt - es bleibt der Weg ins Internet und dort ist Content bekanntlich King. Nawalnys Videos beeindrucken mich durch ihren Inhalt und ihre Machart. Sein Charisma und seine Rhetorik hinterlassen einen starken Eindruck. Ohne das Thema "Korruption" auf diese Art und Weise aufzugreifen, wäre er nur einer von vielen Oppositionspolitikern, die keiner kennt. Hier ist also negative campaigning wichtig und richtig!

Und nun freue ich mich auf deine Kommentare, Fragen und natürlich Kritik. Schreibe mir hier, bei Facebook, Twitter, Instagram oder per Mail.

Und ab sofort neu: Workshop, Schulung oder Beratung anfragen unter mail@philippgraefe.de

Titelfoto: CC0 Public Domain

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